Familie
Lukas von Thun war der älteste Sohn Anton Maria II., genannt „Potens“ und dessen zweiter Frau Genoveva Freiin von Wolkenstein-Rodenegg , einer Enkelin des Minnesängers Oswald von Wolkenstein (1377-1445). Aus Antons erster Ehe mit Helene von Tumbritz stammen vier Kinder, darunter der älteste Sohn Martin von Thun , Hauptmann von Königsberg und Feltre und Pfleger auf Burg Fragenstein, und Kaspar von Thun , kaiserlicher Hauptmann auf Burg Heinfels.
Lukas Mutter Genoveva schenkte Anton 15 Kinder, darunter zehn Söhne. Einige davon haben sich besonders hervorgetan, wie etwa Sigmund von Thun , kaiserlicher Orator beim Konzil zu Trient und enger kaiserlicher Vertrauter. Weiters zu nennen sind Jakob von Thun , Gründer der ersten Linie Caldes, und Johann Cyprian , Gründer der zweiten Hauptlinie von Castel Brughier.
Am 27. September 1517 heiratete Lukas Barbara Botsch von Zwingenberg auf Castelfondo. Ihrer Ehe entstammten acht Kinder, fünf Söhne (einer, Johann Mathias Balthasar , genannt Balthasar starb bereits im Alter von fünf Jahren[2]) und drei Töchter. Anton , der älteste (überlebende) Sohn, zeichnete sich als Page von Maximilian II. aus, sein jüngerer Bruder Simon hingegen schlug die geistliche Laufbahn ein und konnte bis zum Domdekan von Trient aufsteigen. Auch war er Domherr in Salzburg und Brixen ab dem Jahr 1562. Des Weiteren unter den Söhnen Lukas von Thun ist Philipp zu nennen, welcher Oberküchenmeister und Kämmerer Maximilians II. und Rudolphs II. war und im Jahr 1600 auf Castel Thun starb.[3] Die Stammesfolge, welche die heute noch lebende Linie von Castel Thun fortleben ließ, konnte jedoch unter den zahlreichen Kindern nur Lukas jüngster Sohn, Viktor , fortsetzen.
Über die Töchter von Lukas weiß man heute nicht mehr viel: lediglich die jüngste Tochter, Dorothea Corona , hinterließ einiges an Quellenmaterial. Sie heiratete Ulrich von Spaur-Valer und in zweiter Ehe Francesco Conte di Manfredi della Val di Noce . Dorothea erscheint in ihrer Korrespondenz als sehr willensstark: sie hatte nach dem Tod ihres ersten Mannes Ulrich von Spaur-Valer Streitigkeiten mit dessen Kindern aus erster Ehe wegen des Erbes, welches sie, unterstützt von ihren Brüdern und Vettern, vehement einforderte.[4]
Leben
Über das Leben des Lukas von Thun ist wenig bekannt. Aus den Quellen geht hervor, dass Lukas’ Vater, Anton Maria II., zeit seines Lebens auf Burg Rocca di Samoclevo in der heutigen Gemeinde Caldes (Val di Sole) verweilte und diese als ständigen Wohnsitz nutzte.[5]
Von Lukas’ jüngeren Brüdern wissen wir, dass sie ein Geistlicher aus Imola namens Cammilus Flamineus zu Hause unterrichtete.[6] So kann man durchaus annehmen, dass auch die älteren Brüder Martin, Kaspar, Lukas und Sigmund, ebenfalls eine Erziehung zu Hause genießen konnten.[7]
Sicher ist, dass Lukas die militärische Laufbahn einschlug und vermutlich auch entsprechend ausgebildet wurde. Er tritt in den Quellen als Hauptmann der Burgen Caldiff und Enn auf und schien sich in erster Linie um die engere Familie und den Haushalt zu kümmern. Besonders nach dem Tod des älteren Bruders Martin nahm er die Stellung des Familienoberhauptes „vor Ort“ ein. Der Vater Anton hatte in seinem Testament, mit Einverständnis aller Söhne, zwei seiner Söhne für die Verrichtung wichtiger Geschäfte und die Vertretung der Familie bei Rechtssachen ernannt, nämlich Kaspar und Sigmund.
Sigmund, Lukas zwei Jahre jüngerer Bruder, hingegen, der in der Forschung zur Familie Thun durch seine Position als kaiserlicher Ratgeber und seine Zeit beim Konzil von Trient immer einen besonderen Platz einnahm, versuchte durch seinen Einfluss bei Hof die Familie anders zu fördern.
Lukas sollte sich wohl mehr um die Familie und deren Fortbestand kümmern. Dem Wunsch Antons in seinem Testament wurde von den Söhnen zwar entsprochen, die Aufteilung der Aufgaben war jedoch nicht restlich geklärt. Ersichtlich wird vor allem, dass die Familienvertreter nach außen, Sigmund und Kaspar, sich nicht nur um die rechtlichen Geschäfte der Familie, sondern auch um die Karrieren ihrer jüngeren Brüder kümmern sollten, was sie auch taten. Lukas hingegen – seine Aufgabe kann schon eher als die eines Hausherrn angesehen werden – kümmerte sich um die Gesundheit der Familie, die Vermählung und Aussteuer der Schwestern, Töchter und teilweise auch Nichten[8], die Hofhaltung und die Buchführung.
Nach dem Tod seines Cousins Bernhard tritt er als „senior familiae“ auf, eine Funktion, die normalerweise auch bei Rechtsgeschäften klarer deutlich wurde, indem der senior familiae durchwegs als Vertreter der engeren[break] Familie auftrat. Bei Lukas verhält es sich zwar auch so, jedoch muss man hierbei auch die vom Vater festgelegte Position Sigmunds (Kaspar war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben) in die Überlegung mit einbeziehen. In der klassischen Geschichtsschreibung der Familie Thun wird Sigmund als aufopferndes Familienmitglied dargestellt, als Person, die neben der Karriere als kaiserlicher Rat die Familie ständig unterstützte. Von Lukas ist jedoch kaum die Rede; dass er häufig als oberster Familienvertreter auftrat sah man in der häufigen Abwesenheit Sigmunds durch seine Funktion als kaiserlicher Orator. Er scheint immer nur dann auf, wenn Sigmund vermutlich auf Reisen war. Dies war aber nicht immer der Fall, man erkennt deutlich, dass er seit 1540 als Vertreter bei Rechtsgeschäften an erster Stelle stand.[9]
Lukas scheint sich sehr für Arzneien und Kochrezepte interessiert zu haben, korrespondiert er doch mit mehreren Familienmitgliedern darüber.[10] Das brachte vermutlich die Position des Hausherrn mit sich. Auch hat er an Burg Caldes einige Baumaßnahmen veranlasst: in einem Brief an seinen Bruder Georg schrieb er, dass der Bau zu Caldes nur sehr langsam voran gehe, der Turm sei zwar kreuzweise gebunden und das Gewölbe fertig, jedoch könnten sie in der Zwischenzeit viel weiter sein.[11] 1523 scheint Caldes jedoch soweit bezugsfertig gewesen zu sein, da Lukas bereits mit seiner Familie dort wohnte.
Weitere Nachrichten aus Lukas Leben erreichen uns aus der Zeit der Bauernkriege: Im Mai 1525 wurde die Rocca von Bauern angegriffen und, im Auftrag von Lukas und Jakob Thun, durch den Hauptmann Christofero Busetti di Rallo verteidigt. Auch er selbst soll gekämpft und zusammen mit seinem Bruder Johann Georg ( ) über hundert Soldaten angeworben und somit den Angriff abgewehrt haben.[12]
Fälschlicherweise wird in mehreren Publikationen angegeben, Lukas sei der erste Thun’sche Erbschenk des Bistums Brixen gewesen.[13] Jedoch wurde das Schenkenamt vom Brixner Bischof Christoph III. di Madruzzo 1558 lediglich an Sigmund verliehen.
Lukas genaues Todesdatum ist nicht bekannt, allerdings muss es vor 1559 gewesen sein, da seine Söhne in einigen Dokumenten bereits zu diesem Zeitpunkt als „weiland“ auftraten. Auch eine Grabstätte von Lukas ist nicht mehr erhalten.
Rezeption
Lukas Biographie mag nicht außergewöhnlich sein – jedoch ist er als Gründer der heute noch lebenden Linie Castel Thun einen Blick wert. Aus archivalen Quellen lässt sich nicht nur ein biographischer Umriss rekonstruieren – auch ergeben sie reichhaltige Informationen für eine Untersuchung des adeligen Familienkonzeptes am Ende des Spätmittelalters bzw. am Beginn der Neuzeit im alten Tirol.
Lukas hatte alle Vorraussetzungen für ein Leben als Familienoberhaupt – jedoch sollte er sich „nur vor Ort“ um die Familie kümmern. Sein um zwei Jahre jüngerer Bruder Sigmund hingegen wurde vom Vater Anton beauftragt, nach außen hin als Familienoberhaupt aufzutreten. Er folgte einer großen Karriere am Hof und konnte somit auch das Ansehen der Familie steigern. Wurde ihm von den Historiographen des 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ein nahezu unaufhörlicher Drang nachgesagt, ein Leben für die Familie zu leben, so muss man dies relativieren: Jeder Sohn Antons hatte seine eigene Position. Sigmund hat sicherlich viel zum Ansehen der Familie beigetragen, jedoch ist es übertrieben, das als „Aufopferung“ zu interpretieren, da er vermutlich genauso seine eigenen Interessen vertrat.
Bibliographie
Ausgewählte Quellen
- Gebietsarchiv Litomerice
- Teilarchiv Decín Tetschen/Bodenbach
- Familienarchiv Thun
- Sektion VI,178-180
- Kartone „Lukas (1485-1559)“.
Ausgewählte Literatur
- Ausserer Carl, Der Adel des Nonsberges. Mit 72 Abbildungen von Schlössern, Wappen und Siegeln, in: Jahrbuch der k.k. heraldischen Gesellschaft Adler (1899) 9, S. 13–241
- Dalla Torre Paolo, Schede biografiche. Luca Thun, in: Botteri Ottaviani Marina/Bellabarba Marco, Arte e potere dinastico. Le raccolte di Castel Thun dal XVI al XIX secolo, Trento 2007, S.423
- Glückselig Legis, Denkwürdigkeiten des Grafenhauses Thun-Hohenstein. Festgabe zu dem achtzigsten Geburtstag seiner Excellenz des hochgeborenen Herrn Herrn Franz Grafen von Thun-Hohenstein, Prag 1866.
- Langer Edmund, Lebensskizze Sigmund’s v. Thun, des kaiserlichen Orators in der letzten Periode des Concils von Trient, Prag 1881
- Thun und Hohenstein Jaroslav, Beiträge zu unserer Familiengeschichte, Tetschen 1925, Stammtafeln II,III.