Die Anfänge der Familie Thun

Die Ursprünge der Familie Thun

Der Ursprung der Familie Thun (erst ab 1628 Thun-Hohenstein) ist bis heute noch nicht gänzlich geklärt und durch die bereits gründlich untersuchten Quellen in den Standardwerken zur Familiengeschichte  [1] und der eher dürftigen Quellenlage im 11. und 12. Jahrhundert, ist auch in Zukunft kaum eine zufriedenstellende Antwort zu erwarten. Lediglich kann, insofern die Geschichte der Familie in den größeren geschichtlichen sprich regionalen aber auch überregionalen Kontext gestellt wird, eine Annäherung stattfinden.

Der Herkunftsort der Familie Thun ist, fernab von Ursprungslegenden und diversen Theorien, im Nonstal im heutigen Trentino zu suchen. Die Familie Thun trittt in der heutigen Überlieferung in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts dort auf, wo sich am Eingang des Tales auf der rechten Seite flussaufwärts des Noce der Engpass Rocchetta (ehemals Puntelpeyn oder Ponte alpino [2]) mit einer Anhöhe befindet. Diese Gegend bildete früher die Pfarre Ton, zusammengesetzt aus den kleinen Dörfern Vigo [3], Novesino (heute Masi Nosin), Toss und einige andere. Ein Dorf, das Tono hieß, gab es wohl nicht. Pinamonti [4] schreibt, er selbst habe noch eine Urkunde in Händen gehalten, wo eine plebs Toni im Jahre 1145 vorkam, leider ist dieses Dokument heute nicht mehr erhalten. Jedoch wird heute noch die Pfarre in Vigo „Ton“ genannt, welche ab immemorabili (zu unbekannter Zeit) entstand.

Auf der Anhöhe, auf der die Familie Thun erstmals ihren Stammsitz hatte, steht heute noch die Kapelle S. Margherita, welche die Thuns, als sie ihre Residenz zum Hügel nähe Vigo, dort wo heute Castel Thun thront, verlegte, erbauen ließ. Flur-, Straßen- und Ortsnamen erinnern jedoch noch an die Zeit, als die Anhöhe am Eingang des weiten Nonstales Sitz der Familie war. [5]

Namensentwicklung [6]

Woher der Name „Tono“ stammt, ist ebenfalls ungewiss. Es gibt in den diversen Zeugnissen Namensformen wie Tunno, Tonno, Thunne, Tunn. Erst im Laufe des 14. Jahrhunderts bürgerte sich die „deutsche Form“ von Tono „Thunn“ ein, eine Abwandlung, welche sich durch die Kontakte zu den deutschsprachigen Gebieten und die Ausbreitung der Familie vor allem im mitteleuropäischen Raum zu „Thunn“ erklärt. Durchgesetzt hat sich der Name „Thun“ dann ab dem Jahre 1407 mit dem Eintritt von fünf Familienmitgliedern in den Elephantenbund. [7] Die Nonsberger jedoch benennen die Familie heute noch „Ton“.[8]

Weitere Anknüpfungspunkte an das Problem der Herkunft des Namens bzw. der Familie selbst finden sich in den Aufzeichnungen aus dem 12. Jahrhundert zum bekannten Tonalepass, welcher ja dieselbe Wortwurzel enthält. Dieser soll bereits 1127 bei der Schenkung des Hospizes S. Bartolomeo am Tonalepass erwähnt worden sein [9], also vor der ersten überlieferten Erwähnung des Familienmitgliedes Bertoldus de Tonno aus dem Jahre 1145, was belegt, dass der Name „Ton“ schon vorher in der Gegend des Nonstales und des Val di Soles verbreitet war. Der Pass, welcher im Mittelalter als wichtiger Übergang für den Handel fungierte [10] befand sich nicht in unmittelbarer Nähe des Sitzes der Familie an der Rocchetta. Auch war es im Mittelalter für Personen üblich, sich nach dem Wohnort zu benennen und nicht umgekehrt. [11]

Auch jene Vermutungen, die Familie Thun würde von den Schweizer Thuns und der Stadt Thun abstammen [12], werden durch eine etymologisch-historische Analyse relativiert. Die Stadt Thun am Thunersee schien erstmals um 700 als „lacum Dunensis“ [13] auf. Der Name wird hier vom keltischen Wort „dunum“ für Befestigunsanlage bzw. Palisadenwerk abgeleitet. Die Wortwurzel ist bei der Familie Thun eine andere, nämlich „Ton“. Dass das Wappen der Stadt dem Urwappen der Thuns sehr ähnelt ist auch kein Argument: die heraldischen Darstellungsmöglichkeiten im Mittelalter waren begrenzt und können so zu vielen Überschneidungen führen.

Die Herkunft der Familie Thun aus dem Nonstal ist demnach nicht zu bestreiten. Bei den Überlegungen allerdings, ob, wann und wodurch die Familie in das Nonstal gelangte, bleibt viel Platz für Mutmaßungen. Am ehesten stammt das Adelsgeschlecht jedoch von der im Nonstal ansässigen romanisierten langobardischen Bevölkerung ab und hatte sich mit der Zeit zu einer angesehenen Familie entwickelt. Als das Bistum Trient im Jahre 1027 durch Kaiser Konrad II. zu einer Grafschaft wurde, stellte sich die Familie zuerst in den Dienst von Adeligen, später dann in den des Bischofs (Ministeriale). So konnten sie durch geschickte Diplomatie und wichtigen Belehnungen ihre Macht weiter ausbauen. [14]

Die ersten Familienvertreter

Der Prager Prämonstratenserpater Armando Friedenfels führt in seinem Werk zur Familie Thun-Hohenstein einen Albertinus de Tono an, welcher im Jahre 1050 bereits als angesehener Mann in der Gegend von Trient gelebt haben soll und lange Zeit an die Spitze Thun’scher Stammbäume gesetzt wurde. [15] Allerdings bemüht sich der Autor in diesem Werk nicht um historische Genauigkeit, sondern vielmehr um eine Lobhymne auf die Familie Thun und seinen persönlichen Gönner Romedio von Thun . Der Name Albertinus kommt zwar später immer wieder in der Familie vor, jedoch ist dies kein zwingender Beweis für eine Verwandtschaft.

Eine erste belegte Erwähnung eines Mitglieds der Familie Thun findet sich in der Stiftungsurkunde des Klosters St. Michael an der Etsch aus dem Jahre 1145 [16], in der ein Bertoldus de Tunno als Zeuge der Stiftung genannt wird. Bertoldus tritt noch einmal im Jahre 1155 als Zeuge bei einer Urkunde des Bischofs Eberhard von Trient (1154-1156) in Riva auf. [17] Ob der Name „de Tonno“ als Familienhinweis galt, oder als bloße Angabe des Herkunftortes, lässt sich heute nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, auf diese Problematik stößt man in der genalogischen Forschung immer wieder. Jedoch trat Berthold als zweiter Zeuge nach Eberhard von Flavon auf, also ist anzunehmen, dass es sich hierbei bereits um einen angesehenen Familiennamen handelte.

Im 12. Jahrhundert finden wir noch weitere vereinzelte Thunmitglieder, welche jedoch aus Mangel an Quellen, wie auch bei Berthold, nicht in eine gesicherte Stammesfolge eingebaut werden können. So etwa ein Pietro di Tonno im Jahre 1165, der als Zeuge bei dem Testament der Beatrice d’Este fungiert haben soll [18],[break] oder die Brüder Adelperus und Anselmus , welche zusammen auf einer Urkunde des Domkapitels Trient aus dem Jahre 1170 [19] erscheinen. Da sie zur selben Zeit wie Bertoldus gelebt haben, ist anzunehmen, dass es sich dabei um engere Verwandte handeln muss (Neffen, Brüder, etc.). Zusammenhängender werden die Namen aus der Familie, sobald Personen des Öfteren in Urkunden (im Umkreis von Trient) erscheinen, im besten Falle mit Angabe des Vaters.

Bei diesen ersten Erwähnungen treten die diversen Familienmitglieder meist als Zeugen eines Rechtsaktes auf. Es gibt zwar wenige soziologische Untersuchungen zur Reihung der Zeugen einer Urkunde im früheren Mittelalter[20], man kann jedoch durchaus sagen, dass die Rangordnung in der Zeugenreihe auch Ausdruck von Ansehen war. Regional zeigen Untersuchungen, dass auch in Alttirol eine Reihung nach Rangordnung nicht ungewöhnlich, jedoch nicht ausschließlich war.[21]

Die Vertreter der Familie Thun sind in den Quellen des 12. Jahrhunderts, vorne an Bertoldus in der Stiftungsurkunde von St. Michael an der Etsch und später bei der Urkunde aus Riva, durchwegs unter den ersten Zeugen zu finden[22], was annehmen lässt, dass diese Personen bereits in der Mitte des 12. Jahrhunderts als anerkannt und ehrenwert galten, was zum Schluss führt, dass auch die Familie hohes Ansehen im Trentiner Raum genoss.

Wie groß die Familie damals bereits war, vermag man heute nicht mehr zu beantworten. Anzumerken ist lediglich, dass in der „carta de collonellis“ von 1190 [23], bei der Bischof Konrad von Trient für den Römerzug Kaiser Heinrichs VI. fünf Heeresgruppen zusammenstellt, die Familie der Thun als vierte Gruppe „illi de Tun“ (jene der Thun) mit den Herren von Ivano und Flavon, Rumo und Spaur genannt wurde. Diese Redewendung „illi de“ wird speziell in dieser Urkunde im Unterschied zum Begriff „domus“ verwendet, einige wenige werden hingegen ohne eine Spezifizierung, also mit bloßem Namen, angegeben. „Domus“ wurde im Mittelalter als größerer Haushalt verstanden, welcher nicht nur die Kernfamilie, sondern auch weitere Familienmitglieder, Knechte und Mägde mit einbezieht. Die Bezeichnung „illi de“ soll deshalb einen Unterschied zu diesem beschreiben, zumal domus als Begriff etabliert war. Dabei handelt es sich sehr wahrscheinlich um eine kleinere familiäre Gemeinschaft. [24] Somit kann man annehmen, dass die Familie Thun in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zwar eine größere Familie mit gewissem Ansehen war, jedoch noch nicht den Status eines „domus“ erreicht hatte. Leider gibt es aus dieser Zeit im Raum Trient nicht genügend Quellenmaterial um eine umfassende sozialgeschichtliche Studie anzufertigen und auch letzte Zweifel auszuräumen. Mit Sicherheit zeugt die carta de colonellis jedoch von der Wichtigkeit der Familie bereits zu diesem Zeitpunkt, zumal sie als Führer der vierten Heeressäule (der des Nonstales) genannt werden.

Ab dem Zeitpunkt dieser berühmten carta dei colonelli wird die Quellenlage um die Familie Thun dichter. Eine ununterbrochene Stammesreihe lässt sich seit Manfredinus festmachen. Dieser wird in einer Urkunde des Bischofs Albert von Trient von 1187 als Zeuge erwähnt. [25] 1199 folgt eine weitere Erwähnung dieses Manfredinus neben seinem Bruder Albertinus de Tonno in einer für die Familiengeschichte überaus wichtigen bischöflichen Urkunde von 1199: Die Familienvertreter wurden mit der Anhöhe Vision bei dem Engpass Rocchetta belehnt, um dort ein Schloss, welches zum ersten Stammsitz der Thuns werden sollte, bauen zu können. [26] Albertinus wird bei der Belehnungsurkunde als erster genannt und ist somit vermutlich der ältere der beiden Brüder, allerdings reicht seine Linie nur bis Anfang des 14. Jahrhunderts. Manfredinus und seine direkten Nachkommen hingegen werden als Stammväter der Familie Thun angesehen.

Als dritter Empfänger der Belehnung wird ein Liutus de Marostega angeführt, welcher vielleicht ein Schwager der Beiden war. Alle drei empfangen die Belehnung allerdings nicht nur für sich, sondern auch für die vermutlich noch minderjährigen Brunatus , Petrus , Adelperus und Ottolinus . Nur bei Letzterem und dessen Vater Marsilius , welcher zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben war, ist auf den ersten Blick gesichert, dass er von der Familie Thun abstammt („[…] nec non et Ottolini, quondam Marsilii, de suprascripto loco Tonni […]“). Da sich aber sei es ein Brunatus, als auch ein Petrus und Adelperus in anderen Dokumenten finden, ist anzunehmen, dass sich die Bezeichnung „de loco […] Tonni“ auf alle angeführten Personen bezieht.

Pinamonti, der des Öfteren auf Dokumente zugreifen konnte, welche heute verloren sind, führt ein Hörigkeitsbekenntniss aus dem Jahre 1218 an [27], bei welchem Manfredinus und Brunatus als Eigentümer der Leute des Herrn Pellegrini de Tegnarolo genannt werden. Dies würde nicht nur bedeuten, dass Manfredinus, welcher heute an die Spitze des Thun’schen Stammbaums gesetzt wird, 1218 noch lebte, sondern auch, dass die Familie Thun bereits Anfang des 13. Jahrhunderts Besitzungen hatten, welche über das Nonstal hinausreichten.

Manfredinus hatte einen Sohn namens Warimbert I. , bei welchem die Quellenlage deutlich dichter wird. Diese zeigt, dass in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts dieser Warimbert die Familie nach außen hin vertrat: neben dem Auftreten als Zeuge bei diversen Belehnungen, war er als Vasall des Bischofs bei Lehensgerichten, Befehlsverordnungen u.Ä. anwesend. [28]

Der Besitz des Geschlechtes scheint ursprünglich nicht sehr groß gewesen zu sein, so standen die Thuns anfangs als Vasallen den Grafen von Flavon und Eppan in Lehen. Die Familie scheint bereits einiges an Reichtum angesammelt haben, zum Beispiel erhielt Bischof Egno von Trient aus dem Hause Eppan im Jahre 1261 von Oldericus und Enricus de Visione [29] ein ansehnliches Darlehen. [30] Dennoch konnte die Familie erst nach dem Aussterben des Eppaner Geschlechtes [31] richtig aufblühen, da sie die Lehen, die sie ursprünglich von den Grafen von Eppan empfingen, vom Bischof oder dem Landesfürsten erhalten konnten und somit als Ministerialen in den Dienst des Bischofs traten.

[MT] Lesen Sie >hier< etwas über den Aufstieg der Familie Thun.

 

[1] Vgl. hierfür Giuseppe Pinamonti, Memorie intorno la famiglia de’ Signori di Tono ora conti di Thunn, Milano 1839; Legis Glückselig, Denkwürdigkeiten des Grafenhauses Thun-Hohenstein, Prag 1866; Carl Ausserer, Der Adel des Nonsberges. Mit 72 Abbildungen von Schlössern, Wappen und Siegeln, in: Jahrbuch der k. k. heraldischen Gesellschaft „Adler“, Wien 1899; Edmund Langer/Rudolf Rich, Mittelalterliche Hausgeschichte der edlen Familie Thun (8 Bände), Wien 1904-1910.
[2] Vgl. Ausserer, Der Adel des Nonsberges, S. 43.
[3] Der Name „Vigo“ stammt vermutlich von „vicus“ für Gehöft bzw. Dorf ab, später wurde dann aus „vicus Toni“ einfach „vicus/Vigo“.
[4] Vgl. Pinamonti, Memorie, S. 10.
[5] Vgl. z.B. die Straßen „via S. Margherita“ oder „via Tor di Visione“, die „localitá Castelletto“ (kleines Schloss).
[6] Lesen Sie hierfür auch den Lexikonartikel Etymologie - der Name "Thun"
[7] Gründungsschrift vom 28. März 1407 abgedruckt bei: Jakob A. Brandis, Geschichte der Landeshauptleute von Tirol, Innsbruck 1850, S. 156-162.
[8] Vgl. Quirino Bezzi, La storia della Val di Sole, S. 139.
[9] Testament des Dominikus de Marchis vom 13. April 1127, erwähnt bei Bartolomeo Del Pero, Geschichte des Hospizes auf dem Tonalepaß (Der Schlern 14) 1933, 288-289, hier S. 288.
[10] Vgl. Gian Maria Varanini, Itinerari commerciali secondari nel Trentino bassomedievale, in: Die Erschließung des Alpenraumes für den Verkehr im Mittelalter und der frühen Neuzeit. L’apertura dell’area alpina all traffico nel medioevo e nella prima era moderna (Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer, Hrsg. von der Kommission III Kultur, Berichte der Historikertagungen 7), Bozen 1996, S.101-128, hier S. 108-109; für die Geschichte des Hospizes S. Bartolomeo immer noch grundlegend, jedoch dürftig: Bartolomeo Del Pero, Geschichte des Hospizes auf dem Tonalepaß (Der Schlern 14) 1933, 288-289.
[11] Vgl. Josef Egger, Geschichte Tirols von den ältesten Zeiten bis in die Neuzeit, Innsbruck 1880, S. 264.
[13] Vgl. Hektor Ammann, Die Anfänge der Stadt Thun (Sonderdruck aus der „Zeitschrift für Schweizerische Geschichte“ XIII. Jahrgang Heft 3 1933), S. 7-8.
[14] Grundlegend für die Entwicklung des Nonsberger Adels vgl. Ausserer, Der Adel des Nonsberges.
[15] Vgl. Armando Friedenfels, Gloriosus Sanctus Romedius ex comitibus […] nec non gloriosa domus comitum de Thun [..], Prag 1699, S. 7; Friedenfels war bereits zu seiner Zeit als Panegyrist bekannt, wurde jedoch selbst in wissenschaftlichen Zeitschriften wie der Acta Eruditorum hoch gelobt, dabei wurden seine unfundierten Erkenntnisse zur Geschichte der Familie Thun in dieser Zeitschrift übernommen: vgl. Acta Eruditorum, Lips.4 (1703), S. 68-71.
[16] Stiftungsurkunde der Kirche St. Michael an der Etsch vom 29. Sept. 1145, abgedruckt bei: Joseph Freiherr von Hormayr, Geschichte der gefürsteten Grafschaft Tirol (Erster Theil. Zweite Abteilung), Tübingen 1808, S. 68-69. Die Urkunde ist im Original nicht mehr erhalten. Eine zweite Abschrift findet sich bei Bernedetto Bonelli, Notizie istorico-critiche della chiesa di Trento, Trient 1760, S. 391-392; Bonelli transkribiert allerdings Pertoldus de Tunne.
[17] Urkunde von 4. April 1155 in Riva, abgedruckt bei Rudolf Kink, Codex Wangianus. Urkundenbuch des Hochstiftes Trient (Fontes Rerum Austriacum 2,5), Wien 1825 (photografischer Nachdruck), S. 21-24.
[18] Vgl. Ludovico A. Muratori, Delle Antichità Estensi, Bd.II, o.O. 1740, zit. bei Pinamonti, S. 23.
[19] 13. August 1170 in Trient, gedruckt bei: Emanuele Curzel (Hrsg.), I documenti del capitolo della cattedrale di Trento. Regesti (1147-1303) (Rerum Tridentinarum Fontes VI), S.58, Nr.3.
[20] Vgl. hierfür grundlegend Julius Ficker, Vom Reichsfuerstenstande. Forschungen zur Geschichte der Reichsverfassung zunaechst im XII. und XIII. Jahrhunderte, Band I, Innsbruck 1861, S. 155-184; Heinrich Fichtenau, Die Reihung der Zeugen in Urkunden des frühen Mittelalters, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung (MIÖG), Band 87, Wien/Köln/Graz 1979, S. 302-315.
[21] Vgl. hierfür für den Trentiner Raum die umfassende Untersuchung von Marco Bettotti, La nobiltà trentina nel medioevo (metà XII - metà XV secolo), Bologna 2002.
[22] Bei der erwähnten Stiftungsurkunde wird Bertoldus de Tunne sogar als zweiter Zeuge nach Eberhard Graf von Flavon (Heberhardus Comes de flaume) angeführt.
[23] Urkunde von 18. Juli 1190 in Trient: Kink, Codex Wangianus, S. 102-104, Nr. 40.
[24] Vgl. Bettotti, La nobiltà trentina nel medioevo. Bettotti untersucht hier anhand der Urkunden aus dem 12. Jahrhundert, vor allem dem Codex Wangianus, die Begrifflichkeiten im Umgang mit Adel und dessen Umfeld, vgl. S. 133-135.
[25] Urkunde von 18. Juni 1187 in Trient: Kink, Codex Wangianus, S. 67-70, Nr. 26.
[26] Urkunde vom 17. Juli 1199 in Metz (Trentino): Kink, Codex Wangianus, S. 140-142, Nr.64.
[27] Josef von Hippoliti (†1763, Franziskaner bei S. Bernardino, Pergine), Manuskript, zit. bei Edmund Langer, Mittelalterliche Hausgeschichte der edlen Familie Thun, Heft 1, 1. Abteilung. Die Anfänge der Familie Thun, Wien 1904, S. 6.
[28] Um nur einige zu nennen: Belehnungsurkunde von 11. März 1212 in Trient:  Kink, Codex Wangianus, S. 242-244, Nr. 103; Aufforderung/Befehl  Bischofs Albert von Trient zur Stellung eines Ritters für jeden, der ein feudum de colonello besitze vom 23. Mai 1220, abgedruckt bei: Bonelli, Notizie II, S. 552-553.
[29] Im 13. Jahrhundert nannten sich einige Familienmitglieder nach dem Schloss Vision ("de Visione"). Dies wurde nicht immer konsequent eingehalten, weshalb wir heute mit Sicherheit wissen, dass es sich dabei um dieselbe Familie handeln muss.
[30] Gebietsarchiv Litomerice, Teilarchiv Decín Tetschen/Bodenbach, Familienarchiv Thun, Sektion IV, 6, 1-3.
[31] Egno von Eppan (†1273), Fürstbischof von Brixen und später unter Papst Innozenz IV. Fürstbischof von Trient, ist durch seine Seitenwechsel bei dem Streite zwischen Kaiser Friedrich II. und Papst Gregor IX. bekannt geworden. Als er und kurz darauf sein Bruder Gottschalk († ca. 1300), Kanonikus in Trient, starb, starb auch das Geschlecht der Eppaner aus. Vgl. zur Geschichte der Grafen von Eppan Walter Landi, Die Grafen von Eppan. Land und Adel an der Etsch und im Gebirge zwischen 11. und 13. Jahrhundert, Innsbruck 2009.

von Thun Lukas (1485-1555)

Gründer der Hauptlinie Castel Thun, Hauptmann auf Burg Enn und Caldiff.

Lukas Freiherr von Thun (* 17. Oktober 1485 vermutlich auf Rocca di Samoclevo; † vor 1559; katholisch), Gründer der Hauptlinie Castel Thun, senior familiae (1540-1559), Hauptmann auf Burg Enn und Caldiff[32].

Familie

Lukas von Thun war der älteste Sohn Anton Maria II., genannt „Potens“ und dessen zweiter Frau Genoveva Freiin von Wolkenstein-Rodenegg , einer Enkelin des Minnesängers Oswald von Wolkenstein (1377-1445). Aus Antons erster Ehe mit Helene von Tumbritz stammen vier Kinder, darunter der älteste Sohn Martin von Thun , Hauptmann von Königsberg und Feltre und Pfleger auf Burg Fragenstein, und Kaspar von Thun , kaiserlicher Hauptmann auf Burg Heinfels.

Lukas Mutter Genoveva schenkte Anton 15 Kinder, darunter zehn Söhne. Einige davon haben sich besonders hervorgetan, wie etwa Sigmund von Thun , kaiserlicher Orator beim Konzil zu Trient und enger kaiserlicher Vertrauter. Weiters zu nennen sind Jakob von Thun , Gründer der ersten Linie Caldes, und Johann Cyprian , Gründer der zweiten Hauptlinie von Castel Brughier.

Am 27. September 1517 heiratete Lukas Barbara Botsch von Zwingenberg auf Castelfondo. Ihrer Ehe entstammten acht Kinder, fünf Söhne (einer, Johann Mathias Balthasar , genannt Balthasar starb bereits im Alter von fünf Jahren[33]) und drei Töchter. Anton , der älteste (überlebende) Sohn, zeichnete sich als Page von Maximilian II. aus, sein jüngerer Bruder Simon hingegen schlug die geistliche Laufbahn ein und konnte bis zum Domdekan von Trient aufsteigen. Auch war er Domherr in Salzburg und Brixen ab dem Jahr 1562. Des Weiteren unter den Söhnen Lukas von Thun ist Philipp zu nennen, welcher Oberküchenmeister und Kämmerer Maximilians II. und Rudolphs II. war und im Jahr 1600 auf Castel Thun starb.[34] Die Stammesfolge, welche die heute noch lebende Linie von Castel Thun fortleben ließ, konnte jedoch unter den zahlreichen Kindern nur Lukas jüngster Sohn, Viktor , fortsetzen.

Über die Töchter von Lukas weiß man heute nicht mehr viel: lediglich die jüngste Tochter, Dorothea Corona , hinterließ einiges an Quellenmaterial. Sie heiratete Ulrich von Spaur-Valer und in zweiter Ehe Francesco Conte di Manfredi della Val di Noce . Dorothea erscheint in ihrer Korrespondenz als sehr willensstark: sie hatte nach dem Tod ihres ersten Mannes Ulrich von Spaur-Valer Streitigkeiten mit dessen Kindern aus erster Ehe wegen des Erbes, welches sie, unterstützt von ihren Brüdern und Vettern, vehement einforderte.[35]

 

Leben

Über das Leben des Lukas von Thun ist wenig bekannt. Aus den Quellen geht hervor, dass Lukas’ Vater, Anton Maria II., zeit seines Lebens auf Burg Rocca di Samoclevo in der heutigen Gemeinde Caldes (Val di Sole) verweilte und diese als ständigen Wohnsitz nutzte.[36]

Von Lukas’ jüngeren Brüdern wissen wir, dass sie ein Geistlicher aus Imola namens Cammilus Flamineus zu Hause unterrichtete.[37] So kann man durchaus annehmen, dass auch die älteren Brüder Martin, Kaspar, Lukas und Sigmund, ebenfalls eine Erziehung zu Hause genießen konnten.[38]

Sicher ist, dass Lukas die militärische Laufbahn einschlug und vermutlich auch entsprechend ausgebildet wurde. Er tritt in den Quellen als Hauptmann der Burgen Caldiff und Enn auf und schien sich in erster Linie um die engere Familie und den Haushalt zu kümmern. Besonders nach dem Tod des älteren Bruders Martin nahm er die Stellung des Familienoberhauptes „vor Ort“ ein. Der Vater Anton hatte in seinem Testament, mit Einverständnis aller Söhne, zwei seiner Söhne für die Verrichtung wichtiger Geschäfte und die Vertretung der Familie bei Rechtssachen ernannt, nämlich Kaspar und Sigmund.

Sigmund, Lukas zwei Jahre jüngerer Bruder, hingegen, der in der Forschung zur Familie Thun durch seine Position als kaiserlicher Ratgeber und seine Zeit beim Konzil von Trient immer einen besonderen Platz einnahm, versuchte durch seinen Einfluss bei Hof die Familie anders zu fördern.

Lukas sollte sich wohl mehr um die Familie und deren Fortbestand kümmern. Dem Wunsch Antons in seinem Testament wurde von den Söhnen zwar entsprochen, die Aufteilung der Aufgaben  war jedoch nicht restlich geklärt. Ersichtlich wird vor allem, dass die Familienvertreter nach außen, Sigmund und Kaspar, sich nicht nur um die rechtlichen Geschäfte der Familie, sondern auch um die Karrieren ihrer jüngeren Brüder kümmern sollten, was sie auch taten. Lukas hingegen – seine Aufgabe kann schon eher als die eines Hausherrn angesehen werden – kümmerte sich um die Gesundheit der Familie, die Vermählung und Aussteuer der Schwestern, Töchter und teilweise auch Nichten[39], die Hofhaltung und die Buchführung.

Nach dem Tod seines Cousins Bernhard tritt er als „senior familiae“ auf, eine Funktion, die normalerweise auch bei Rechtsgeschäften klarer deutlich wurde, indem der senior familiae durchwegs als Vertreter der engeren[break] Familie auftrat. Bei Lukas verhält es sich zwar auch so, jedoch muss man hierbei auch die vom Vater festgelegte Position Sigmunds (Kaspar war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben) in die Überlegung mit einbeziehen. In der klassischen Geschichtsschreibung der Familie Thun wird Sigmund als aufopferndes Familienmitglied dargestellt, als Person, die neben der Karriere als kaiserlicher Rat die Familie ständig unterstützte. Von Lukas ist jedoch kaum die Rede; dass er häufig als oberster Familienvertreter auftrat sah man in der  häufigen Abwesenheit Sigmunds durch seine Funktion als kaiserlicher Orator.  Er scheint immer nur dann auf, wenn Sigmund vermutlich auf Reisen war. Dies war aber nicht immer der Fall, man erkennt deutlich, dass er seit 1540 als Vertreter bei Rechtsgeschäften an erster Stelle stand.[40]

Lukas scheint sich sehr für Arzneien und Kochrezepte interessiert zu haben, korrespondiert er doch mit mehreren Familienmitgliedern darüber.[41] Das brachte vermutlich die Position des Hausherrn mit sich. Auch hat er an Burg Caldes einige Baumaßnahmen veranlasst: in einem Brief an seinen Bruder Georg schrieb er, dass der Bau zu Caldes nur sehr langsam voran gehe, der Turm sei zwar kreuzweise gebunden und das Gewölbe fertig, jedoch könnten sie in der Zwischenzeit viel weiter sein.[42] 1523 scheint Caldes jedoch soweit bezugsfertig gewesen zu sein, da Lukas bereits mit seiner Familie dort wohnte.

Weitere Nachrichten aus Lukas Leben erreichen uns aus der Zeit der Bauernkriege: Im Mai 1525 wurde die Rocca von Bauern angegriffen und, im Auftrag von Lukas und Jakob Thun, durch den Hauptmann Christofero Busetti di Rallo verteidigt. Auch er selbst soll gekämpft und zusammen mit seinem Bruder Johann Georg ( ) über hundert Soldaten angeworben und somit den Angriff abgewehrt haben.[43]

Fälschlicherweise wird in mehreren Publikationen angegeben, Lukas sei der erste Thun’sche Erbschenk des Bistums Brixen gewesen.[44] Jedoch wurde das Schenkenamt vom Brixner Bischof Christoph III. di Madruzzo 1558 lediglich an Sigmund verliehen.

Lukas genaues Todesdatum ist nicht bekannt, allerdings muss es vor 1559 gewesen sein, da seine Söhne in einigen Dokumenten bereits zu diesem Zeitpunkt als „weiland“ auftraten. Auch eine Grabstätte von Lukas ist nicht mehr erhalten.

 

Rezeption

Lukas Biographie mag nicht außergewöhnlich sein – jedoch ist er als Gründer der heute noch lebenden Linie Castel Thun einen Blick wert. Aus archivalen Quellen lässt sich nicht nur ein biographischer Umriss rekonstruieren – auch ergeben sie reichhaltige Informationen für eine Untersuchung des adeligen Familienkonzeptes am Ende des Spätmittelalters bzw. am Beginn der Neuzeit im alten Tirol.

Lukas hatte alle Vorraussetzungen für ein Leben als Familienoberhaupt – jedoch sollte er sich „nur vor Ort“ um die Familie kümmern. Sein um zwei Jahre jüngerer Bruder Sigmund hingegen wurde vom Vater Anton beauftragt, nach außen hin als Familienoberhaupt aufzutreten. Er folgte einer großen Karriere am Hof und konnte somit auch das Ansehen der Familie steigern. Wurde ihm von den Historiographen des 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ein nahezu unaufhörlicher Drang nachgesagt, ein Leben für die Familie zu leben, so muss man dies relativieren: Jeder Sohn Antons hatte seine eigene Position. Sigmund hat sicherlich viel zum Ansehen der Familie beigetragen, jedoch ist es übertrieben, das als „Aufopferung“ zu interpretieren, da er vermutlich genauso seine eigenen Interessen vertrat.

 

Bibliographie

Ausgewählte Quellen

  • Gebietsarchiv Litomerice
  • Teilarchiv Decín Tetschen/Bodenbach
  • Familienarchiv Thun
  • Sektion VI,178-180
  • Kartone „Lukas (1485-1559)“.

 

Ausgewählte Literatur

[1] Burg Caldiff, eines der bedeutendsten mittelalterlichen Bauwerke in der Nähe vom heutigen Neumarkt im Südtiroler Unterland, bildete gemeinsam mit der Burg Enn bei Montan den Verwaltungsmittelpunkt des alten Gerichts Enn-Caldiff, das schon früh unter die Kontrolle des Tiroler Landesfürsten geraten war.
[2] Gebietsarchiv Litomerice, Teilarchiv Decín Tetschen/Bodenbach, Sektion VI,171/41, Brief vom 11. Dezember 1525 von Lukas von Thun an seine Brüder Georg und Cyprian.
[4] Gebietsarchiv Litomerice, Teilarchiv Decín Tetschen/Bodenbach, Familienarchiv Thun, Tiroler Sektion VI,184 „Dorothea Corona (1525-1574)“. Dorothea Corona hinterließ im Vergleich zu anderen weiblichen Mitgliedern der Familie Thun einen umfangreichen Briefkorpus.
[5] Es gibt eine große Anzahl Briefe an Anton mit der Anrede „Herr auf Rocca“.
[6] Vgl. Edmund Langer, Lebensskizze Sigmund’s v. Thun, des kaiserlichen Orators in der letzten Periode des Concils von Trient, Prag 1881, Anm. 4. Langer führt leider nicht die genaue Quellenangabe an.
[7] Ebd. Langer erwähnt einen Geistlichen aus der Diözese Konstanz, Balthasar Lorch, der 1506 mit dem Vater Anton einen Vertrag für Unterkunft und Verpflegung abschließt. Später soll dieser Geistlicher Sigmund nach Padua begleitet haben.
[8] Am 22.01.1521 schlossen Lukas und sein Bruder Jakob Thun im Namen ihres Vaters Anton II. „Potens“ die Heiratsverträge mit Heinrich Khuen aus Auer für ihre Schwester Marie Sidonie ab, Vgl. Gebietsarchiv Litomerice, Teilarchiv Decín Tetschen/Bodenbach, Familienarchiv Thun, Sektion I, 207, Urkunde vom 22. Januar 1521.
[9] Vgl. etwa Gebietsarchiv Litomerice, Teilarchiv Decín Tetschen/Bodenbach, Sektion I, Urkunden 1539-1544. Bei sämtlichen Regestensammlungen zu den Urkunden der Familie Thun (z.B. Archivio Provinciale Trento, Traduzione dei regesti delle pergamene (serie I-VI) dell’Archivio della famiglia Thun, Linie di Castel Thun, Archivio di Stato Litomerice Tetschen/Bodenbach, Trient 2005) wurde der „berühmte“ Bruder Sigmund immer an erster Stelle genannt. Untersucht man die Originalquelle erscheint der eigentliche senior familiae, also Lukas, an erster Stelle (Ausnahmen gibt es bei bischöflichen Verleihungen, die Sigmund durch seine Position mit z.B. Bischof Bernhard von Cles (1485-1539) aushandeln konnte.
[10] Lukas erteilt seinen Brüdern in seinen Briefen oft hauswirtschaftliche Ratschläge, für Kochrezepte, die Verwendung richtiger Arzneien und dergleichen, vgl. Gebietsarchiv Litomerice, Teilarchiv Decín Tetschen/Bodenbach, Sektion VI,147/81. Lukas Thun an seinen Bruder Sigmund von Thun, 20. Dezember 1553.
[11] Gebietsarchiv Litomerice, Teilarchiv Decín Tetschen/Bodenbach, Sektion VI 171/29, Brief vom 2. September 1522.
[12] Aldo Gorfer, I castelli del Trentino, Trient 1985(2), S. 720.